Home E Pressestimmen E Das Feriendorf St. Hubertus in Schönsee hat neue Besitzer

Jan 28, 2015

Vorhang auf: Das Feriendorf St. Hubertus in Schönsee hat neue Besitzer.

Seit fast einem Jahr herrscht viel Aufregung um das Feriendorf St. Hubertus in Schönsee. Das traditionsreiche Familienunternehmen sollte verkauft werden. Besonders interessiert an einem Erwerb der Immobilie zeigte sich die „nature community e. G.“. Die Kaufabsicht der Gemeinschaft sorgte vor Ort für reichlich Gesprächsstoff und viele unterschiedliche Meinungsbilder. Fragen wie „Was soll aus diesem Objekt dann werden?“ „Passen diese Leute ins Schönseer Land?“ usw. erregten die Gemüter. Nach einer Bauvoranfrage im Schönseer Stadtrat wurde es wieder ruhig um dieses Thema und die laufenden Vertragsverhandlungen. Für viele war es gar nicht mehr so sicher, dass das klappen wird. Kurz vor Weihnachten dann jedoch die Meldung, dass die Familie Utz, die Eigentümer des St. Hubertus, mit der „nature community“ handelseinig wurde und der Kaufvertrag beim Notar zur Unterschrift kam. Zum 1. März geht nun ganz offiziell der Besitzerwechsel vonstatten. Für uns ist daher ganz interessant, was denn mit dem Hubertus in Zukunft passieren soll und wer die Leute überhaupt sind.

Unter dem Arbeitstitel „nature community“ wächst seit zwei Jahren eine neue Gemeinschaft unterschiedlichster Menschen jeglichen Alters (derzeit 0 – 74 Jahre). Sie vereint die Idee eines Lebens im Kreis neuer Freunde mit ähnlichen Werten. Dafür sind sie bereit, ihren Wohnort zu wechseln und ganz neu anzufangen. Ein Abenteuer mit vielen Fragen und noch unbekanntem Ausgang.

Zur Idee fand sich eine Stiftung (www.bethechange.de) und gründete sich eine Genossenschaft. Das passende Objekt wurde im Schönseer Sankt Hubertus gefunden. Kann das Feriendorf eine Heimat für ein neuartiges nachhaltiges Lebenskonzept werden? Viele Fragen tauchen auf, wenn man die Internetseite nature-community.de überfliegt.

LebensArt war mit Sandra Hirsch und Ouirin Klaner im Gespräch. Die beiden stehen Rede und Antwort für drängende Fragen: Wer seid ihr? Wie wird Geld ins Haus kommen? Was macht ihr und wie werden Wohnen, Leben und Arbeiten im Einklang mit den Werten der Gemeinschaft umgesetzt?

Warum ernährt ihr euch vegan? Die meisten von uns leben vegan. Wir haben beschlossen, in Gemeinschaftsräumen auf den Verzehr von tierischen Produkten zu verzichten. Jeder hat seine eigenen ethischen und persönlichen Gründe für diese Entscheidung. In den eigenen Küchen kann gebrutzelt werden, was jeder mag. Auf der Website gibt es die Rubrik „So wollen wir leben“ – da sind die Hintergründe recht gut ausgeführt. Ein paar Links und Videos zum Thema wurden auch eingestellt. Wir finden, dass es schmeckt, gesund ist und uns allen guttut. Insbesondere legen wir Wert auf vollwertige, ökologische Produkte mit Schwerpunkt auf Regionalität, Saisonalität und fair gehandelte Ware. Wir sind jedoch nicht darauf aus, andere zu bekehren. Es ist eine Bereicherung für den Alltag, dreimal am Tag bestes veganes Essen zu bekommen, ohne selbst kochen zu müssen. Wir bieten – hoffentlich bald – vegane Köstlichkeiten im Restaurant Sankt Hubertus an. Die Wiedereröffnung ist geplant, der Zeitpunkt steht jedoch noch nicht fest. Und dann freuen wir uns natürlich über Gäste aus Nah und Fern!

Trefft ihr Entscheidungen im Konsens? Bisher ja. Das heißt, dass jeder mit seinen Gedanken, Ideen, Sorgen und Bedenken gehört wird und seinen Teil mit einbringt. Wir haben nicht immer alle die gleiche Meinung, aber wir vertrauen auf die Kraft der Gruppe und wollen sicherstellen, dass getroffene Entscheidungen von allen mitgetragen werden. Bei der Größe der Gruppe setzt dies Toleranz, Respekt und vor allem Geduld voraus. Demnach können sich Entscheidungen auch wieder verändern. Dabei sind wir bestrebt, die Form der „gewaltfreien Kommunikation“ anzuwenden.

Wie eng nehmt ihr eure Werte? Schwere Frage. Wir sind ja keine Partei oder Sekte, sondern einfache Menschen, die an eine lebenswerte Zukunft glauben und gemeinsam etwas verändern wollen. Unser Ziel ist es, eine ökologisch nachhaltige, sozial gerechte und sinnerfüllte Präsenz als Leitmotiv in unserer heutigen Zeit zu etablieren. Kernwerte wie Respekt, Freiheit, Offenheit und Achtsamkeit sind die Basis, auf der wir unser Zusammenleben gestalten wollen, und die nehmen wir tatsächlich sehr ernst. Sie sind praktisch der Humus, auf dem unser gemeinsames Pflänzchen wächst und gedeiht. Was das im Alltag heißen mag, werden wir erforschen, diskutieren und ausprobieren. Wir haben bereits Ängste in der Bevölkerung vernommen, dass wir eine Sekte sind, und das möchten wir ganz klar dementieren. Wir wollen weder jemanden von irgendetwas überzeugen, noch predigen oder manipulieren. Ich würde sagen, wir sind ein Haufen unterschiedlichster Menschen, die unzufrieden sind mit den vorgegebenen Strukturen und sich selbst neue Alternativen erschaffen. Wir möchten unser Leben gerne selbst in die Hand nehmen und jenseits des Mainstreams gestalten, ohne dabei dogmatisch zu sein.

Wie vereint ihr Tradition und Moderne? Wir bauen auf dem auf, was da ist – das gesamte Areal mit den Hotelgebäuden, den Ferienbungalows und dem Museum. Um aus einem ehemaligen Jagdhotel den passenden Lebensraum für Veganer zu gestalten, braucht es auf jeden Fall Zeit. Wir beschäftigen uns außerdem mit alternativer Energieversorgung und ökologischen Bauweisen. Vieles wird also langfristig umgestaltet oder neu gemacht. Interessant wird es mit den Menschen in der Nachbarschaft und der Region. Frischen Wind bringen wir alle mit. Dazu gehört auch die Idee unserer Schule. Wir haben die Bedenken, vor allem darüber, die Regelschule in Schönsee zu gefährden, vernommen. Das ist keinesfalls unsere Absicht. Wir sind zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden, die allen Interessen gerecht wird. Gespräche mit der Bürgermeisterin und dem Stadtrat finden statt. Wer glaubt, wir wollen uns abkapseln und unsere eigene Lehre oder Philosophie vermitteln, liegt falsch. In der Nähe gibt es bereits verschiedene Schulmodelle, die bereits etabliert sind. Eine weitere Schule kann für den gesamten Ort eine Bereicherung sein, da es ein Magnet ist für Menschen, die deswegen zu uns oder in die Nähe ziehen. Jedenfalls sind wir Menschen wie du und ich – der eine weniger, der andere mehr an Traditionen gebunden.

Wovon wollt ihr tatsächlich leben? Das Hotel und der Seminarbetrieb sind ein wichtiger Bereich und ein Standbein. Das muss jedoch erst übernommen und betriebswirtschaftlich sicher aufgestellt sein. Eine wichtige Unterstützung dabei sind die Tochter des Hauses und ihr Mann, die uns als Angestellte erhalten bleiben. Die beiden und auch einige aus der Gemeinschaft werden das finanzieren, aber die meisten bringen ihre Sicherheiten mit. Wir sind Handwerker, Unternehmer, Dienstleister, Therapeuten, Berater und Familienmanagerinnen. Es ist ein entscheidender Teil der Idee, dass wir Arbeitsplätze und Einkommensquellen in der Region schaffen. Mancher behält seine Firma und führt eine Arbeit in Teilzeit weiter oder verlegt sein Büro nach Schönsee. Es gibt viele individuelle Konzepte. Wir sind nicht die erste größere Gemeinschaft. Andere haben das erfolgreich vorgemacht.

Womit wollt ihr anfangen? Puh, da spannt sich der ganze Fächer der Themen auf, mit denen sich unsere Arbeitsgruppen beschäftigen. Erst einmal geht es uns um eine gute Übernahme des Feriendorfs und des Werts, den die Familie Utz über Jahrzehnte geschaffen und erhalten hat. Wir sind ihnen für die tolle Zusammenarbeit sehr dankbar. Und dann geht es auch schon los mit dem Organisieren unserer ersten Gemeinschaftswoche im März und zwei Terminen, an denen wir unsere Türen bereits für alle öffnen. Am Samstag, den 12. März laden wir die Schönseer und alte Leser der LebensArt ab 11 Uhr zum ersten Kennenlernen in unserem Restaurant zu Kaffee und veganem Kuchen (gratis) ein! Auch am verkaufsoffenen Sonntag bringen wir uns ein, es gibt Kaffee und leckere vegane Küche von 11 bis 17 Uhr, auch zum Mitnehmen. Dann gilt es, die Werkstatt zu planen und über Sommer- und Herbstprogramme mit Seminaren, Kunst- und Kulturveranstaltungen nachzudenken. Wir brauchen noch etwas Zeit, um hier ganz anzukommen. Die ersten von uns sind schon seit Januar im Sankt Hubertus und die nächsten ziehen bald um. Es gibt genug zu sichten und zu verstehen: Haustechnik, Küche, Rezeption, Verwaltung, Hauswirtschaft, Lagerräume, Seminarhaus, Bungalows, Jagdmuseum. Es muss ja auch jeder erst mal seinen Platz finden. Und das ist erst der Anfang – da kommt noch einiges auf uns zu. So hoffen wir auch auf weiteren Zuwachs. Aber wir sind guter Dinge, und je mehr helfende Hände und tragende Schultern, umso leichter wird es werden. Wir haben erfahrene Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen mit dabei, brauchen aber definitiv noch Menschen, die sich der Landwirtschaft annehmen wollen. Jedenfalls freuen wir uns auf unser neues Leben in Schönsee und packen die Dinge mit viel Enthusiasmus und Freude an, damit wir dann bald unter neuem Namen den Vorhang vollständig fallen lassen können!

Danke fürs Erste. Dürfen wir euch begleiten? Herzlich gerne! Lasst uns im Austausch bleiben. Die Übergabe des Sankt Hubertus ist für den 1. März geplant. Wir werden in unserer April-Ausgabe hoffentlich ein paar Bilder präsentieren können und sehen, wie sich die neuen Schönseer in den ersten Tagen machen. Wir sind gespannt und wünschen alles Gute!